Und Geschichte wiederholt sich doch...
I can calculate the motions of the heavenly
bodies, but not the madness of people
Sir Isaac Newton 1643 – 1727
Die grosse "Asien-Krise", Rom 88 – 62 v. Chr.
Eine der ersten grossen Finanzkrisen „moderner“
Prägung ereignete sich im Rom des 1. Jh. v. Chr. Begonnen hatte
alles – für römische Verhältnisse – ungewöhnlich friedlich. König
Attalos III. hatte 133 v. Chr. sein Reich Pergamon, an der
Westküste der heutigen Türkei gelegen, an Rom vererbt. Das Land
Pergamon war reich an Agrarerträgen und Bodenschätzen. Die Römer
nannten ihre neue Provinz Asia. Viele Patrizier, darunter nicht
wenige Senatoren, und Bankiers aus dem Ritterstand rissen sich die
neue Provinz unter den Nagel. Sie kauften Land und bauten Villen
und Landgüter (Latifundien). Der römischen Nobilität war es
nämlich seit dem 3. Jh. v. Chr. untersagt, Handel zu treiben. So
setzte der Adel vermehrt auf Landeigentum. Meist hatten sie hierzu
Hypotheken aufgenommen; sich zu verschulden gehörte nämlich im
alten Rom fast zum guten Ton. Denn nicht zuletzt kostete auch die
adlige Beamtenlaufbahn (der sogenannte cursus honorum) eine Menge
Geld.
Die Steuern wurden in Asien wie auch in allen anderen römischen
Provinzen nicht vom Staat, sondern von sogenannten Steuerpächtern
eingetrieben. Diese waren keine Finanzbeamten im heutigen Sinn,
sondern private Unternehmer, die sich das Recht auf Steuererhebung
in einem Gebiet beim Staat ersteigerten, meist ebenfalls auf
Kredit. Risiko und organisatorischer Aufwand lagen bei ihnen.
Bankiers und Steuerpächter schlossen sich zur Risikostreuung zu
Gesellschaften zusammen, vergleichbar mit heutigen
Genossenschaften oder Bankenkonsortien. Es wurden auch
Anteilsscheine ausgegeben, die verkauft oder beliehen werden
konnten. Im Unterschied zu heute waren die Geschäfte jedoch nicht
öffentlich. Die Bankiers handelten untereinander im Tempel der
Juno (nicht umsonst gleicht die New Yorker Börse einem antiken
Tempel) oder auf dem Forum Romanum. Der Wert der
Steuerpächteranteile, wie auch der Immobilien aus der Provinz Asia
schoss bald in die Höhe.
Als aber 88 v. Chr. die einheimischen Griechen in der Provinz
Asia, angestachelt durch Mithridates, König von Pontus, gegen die
römische Herrschaft revoltierten, kam es zum Einbruch. Die Provinz
Asia war eine der wichtigsten Steuerprovinzen für Rom. Die Folgen
der Steuereinbussen bekamen auch die privaten Investoren zu
spüren. Infolge der Kriegswirren schmolz der Wert der dortigen –
hypothekenbelasteten – Immobilien sowie der gehandelten –
kreditfinanzierten – Steuerpächter- und Genossenschaftsanteile.
Der Staat wiederum hatte sich seine Kriegszüge bei den Bankiers
fremdfinanziert. Das Kartenhaus von gegenseitigen
fremdfinanzierten Abhängigkeiten brach in sich zusammen. Die
Dramatik des Einbruches lässt sich am besten anhand einer feurigen
Rede des grossen Cicero 66 v. Chr. vor dem römischen Senat
begreifen: „Es ist nämlich unmöglich, dass viele Menschen Hab und
Gut einbüssen, ohne dass sie noch andere mit sich ins gleiche
Unglück reissen. Bewahrt den Staat vor dieser Gefahr! Es sind
nämlich – glaubt mir dieses, weil ihr es selbst seht – dieses
Kreditwesen und dieser Finanzmarkt, welcher in Rom auf dem Forum
Romanum seinen Mittelpunkt hat, mit dem Geldwesen in Asien eng
verflochten. Jene Dinge dort in Asien können nicht
zusammenbrechen, ohne dass die hiesige Finanzwirtschaft von
derselben Erschütterung erfasst wird und ebenfalls
zusammenbricht.“ Globalisierung, ein modernes Phänomen?
Cicero weiter:“Was die Güter der vielen römischen Bürger
betrifft: auf diese müsst ihr eurer Weisheit entsprechend
sorgfältig Rücksicht nehmen. Denn die Steuerpächter, äusserst
ehrenhafte und ruhmreiche Männer, brachten ihre Investitionen und
ihr Vermögen in jene Provinz, und deren Kapitalanlagen müssen euch
um eurer selbst Willen am Herzen liegen.“ So wurde schon vor über
2000 Jahren die finanzielle Rettung Einzelner damit begründet,
dass „das Unheil vieler Bürger nicht von dem des Staates getrennt
werden kann.“
Wie lösten die Römer und Cicero nun die Krise? Mit einem Krieg als
Rettungsmassnahme für die Investoren! Pompeius, der später mit
Caesar und Crassus das erste Triumvirat bildete, erhielt das
Oberkommando und vernichtete im Dritten Mithridatischen Krieg das
Reich des Königs von Pontus, der die Finanzkrise ausgelöst hatte.
So sicherte sich Rom die Region und die daraus resultierenden
Einnahmen für die künftigen Jahrhunderte.
Die Tulpenmanie, Holland 1637
Aus heutiger Sicht beinahe amüsant sind die
Ursprünge und Abläufe der grossen Crashs des 17. und 18.
Jahrhunderts. Obwohl dazu eigentlich kein Anlass bestünde, wie wir
später sehen werden. Los ging es mit einer seltsamen Spekulation
um Tulpenzwiebeln in Holland. Alles startete 1593, als ein neu
gewählter Botanik-Professor aus Wien eine Kollektion
ungewöhnlicher Pflanzen, die ihren Ursprung in der Türkei hatten,
nach Leyden brachte. Die Holländer waren fasziniert von dieser
neuen Pflanze. Über das nächste Jahrzehnt wurde die Tulpe ein
populäres, aber teures Element der holländischen Gartengestaltung.
Zuerst wurden die Tulpenzwiebeln nur während der Pflanzzeit
gehandelt. Mit der Zeit ging man jedoch dazu über, auch Zwiebeln
zu handeln, die sich noch in der Erde befanden. Es handelte sich
hierbei also um klassische Terminkontrakte. 1636 konstituierte
sich in den Niederlanden eine solche Terminbörse für den Handel
mit Tulpenzwiebeln. Gehandelt wurde in Wirtshäusern, sogenannten
Kollegs. Die Käufer mussten eine Gebühr von 2.5% des
Verkaufspreises bezahlen. Sicherheitsleistungen in Form einer
Marge mussten jedoch nicht hinterlegt werden.
Zwischen 1634 und 1637 stiegen die Preise für die beliebten
Tulpenzwiebeln um über das Fünfzigfache an. Der höchste Preis für
eine einzige Zwiebel der Tulpensorte Semper Augustus lag Anfang
1637 bei 10000 Gulden. Dies in einer Zeit, in der ein Zimmermann
im einem Jahr 250 Gulden verdiente!
Ihren Höhepunkt erreichte die Spekulation, als bei einer
Versteigerung am 5. Februar 1637 für 99 Posten Tulpenzwiebeln rund
90000 Gulden gezahlt wurden. In der Hochphase der Spekulation
wechselten Zwiebeln oft mehrmals am Tag ihren Besitzer. So kam es
zu einer riesigen Zahl an Kaufverträgen, die alle bedient hätten
werden sollen.
Das Ende der Spekulation kam abrupt: in wenigen Tagen fiel der
gesamte Tulpenmarkt zusammen. Am 7. Februar 1637 stoppte der
Handel schliesslich. Die Preise fielen um mehr als 95%. Die
zahllosen Kaufverträge konnten nicht mehr erfüllt werden. In den
Städten Hollands wurden Schlichtungskommissionen eingesetzt, um
die Streitigkeiten zwischen Floristen und Käufern zu schlichten.
Erst im Mai 1638 einigte man sich schliesslich darauf, dass
Käufer, die vom Handel zurücktreten wollten, einen Ausgleich von 3
bis 5 Prozent des Kaufpreises zu zahlen hätten.
The South Sea Bubble (die „Südsee-Blase”), England 1720
Nehmen wir mal an, Ihr Bankberater empfiehlt Ihnen,
in eine Firma zu investieren ohne Verkäufe oder gar Gewinne,
einfach nur aufgrund toller Geschäftsaussichten. Sie fragen dann
vielleicht "Was ist denn das Geschäftsmodell?". "Sorry, das
braucht niemand zu kennen, aber ich verspreche Ihnen enorme
Profite". Etwas gar eigenartig denken Sie vielleicht, aber vor 300
Jahren in England war dies eines der heissesten Investitionsthemen
seiner Zeit. Und wie Sie sich vorstellen können, waren die darauf
folgenden Pleiten ebenso "heiss". Die Geschichte zeigt auch auf,
wie Betrug Menschen nicht etwa vorsichtiger, sondern sogar noch
gieriger macht, mit Ihrem Geld daran teilzunehmen.
Zur Zeit der grossen South Sea Bubble (die Südsee-Blase) waren die
Briten reif, Ihr Geld rauszuschmeissen. Denn eine lange Periode
englischer Prosperität führte zu grossen Ersparnissen bei dünner
Marktlage. Zu jener Zeit war es ein Privileg, Aktien zu besitzen.
1693 konnten sich nur 499 Seelen zum Beispiel Eigentümer der East
India Aktiengesellschaft nennen, deren Dividenden zudem noch
steuerfrei waren. Darunter waren auch Frauen, da Aktienbesitz zu
der Zeit einige der wenigen Formen von Eigentum darstellte, die
Frauen besitzen durften. Die South Sea Company, gegründet 1711,
füllte also das grosse Bedürfnis nach Investitionsmöglichkeiten.
Ursprünglicher Zweck der Firma war es, das Vertrauen der
Investoren in die Zahlungsfähigkeit Grossbritanniens
wiederherzustellen. Die Gesellschaft übernahm Staatsschulden der
Regierung und erhielt dafür im Gegenzug das Monopol im Handel mit
Südamerika inklusive noch nicht entdeckter Gebiete (!). Dieser
Handel versprach märchenhafte Gewinne; so konnte man dies
zumindest den Investoren verkaufen, welche gierig die neuen Aktien
zeichneten. Die erste Handelsreise im Auftrag der South Sea
Company fand aufgrund des spanischen Erbfolgekrieges erst im Jahre
1717 statt, also 6 Jahre nach Gründung der Gesellschaft durch John
Blunt, einem adeligen Abenteurer, George Caswell, Mitinhaber der
Sword Blade Company (Bankiers) sowie einem anonymen Baptisten.
Diese Handelsreise übrigens erwies sich als wenig lukrativ, was
aber den einsetzenden Wahn nicht mehr aufhalten konnte. Nach und
nach übernahm die Gesellschaft weitere Staatsschulden und gab im
Gegenzug weitere Aktien heraus, die ihr von der
Investoren-Gemeinde buchstäblich aus den Händen gerissen wurden.
Alle wollten sie teilhaben an den märchenhaften Gewinnen, die der
Handel mit exotischen Ländern und Waren versprach. Lag der Kurs
der Aktie des Unternehmens Anfang 1720 noch bei 100 Pfund, so
schoss er danach raketenartig in die Höhe und erreichte im Juli
(!) fantastische 950 Pfund! Dies blieb nicht ohne Folgen. Weitere
Firmen mit fantastischen Geschäftsfeldern wurden gegründet, ihre
Aktien auf den Markt geworfen, die ebenfalls reissenden Absatz
fanden. Einigen im Parlament inkl. des Königs war klar, dass nur
ein Bruchteil der Aktien der South Sea Company gedeckt war. Sie
stiegen aus und erliessen gleichzeitig, dass alle Gesellschaften
eine königliche Ernennung haben sollten (Bubble Act genannt, weil
es die endgültige Blase auslöste). Mit diesem Monopol sollte der
Stand der Aktie gehalten werden, erreicht wurde jedoch, dass diese
noch weiter stieg. Die South Sea Company hatte bis zu diesem
Zeitpunkt noch kein einziges Pfund im Südseehandel verdient, keine
einzige Dividende war gezahlt worden. Als am 1. August der erste
Zahltermin anstand, wurde langsam klar, dass kein Geld vorhanden
war. Nach dem 18. August fielen die Aktien rapide auf 200 Pfund,
bis im Dezember auf 100 Pfund. Gleichzeitig platzte in Frankreich
die Mississippi-Blase, so dass der internationale Druck die
Entwicklung verstärkte.
Die Folgen waren katastrophal: Rezession, Handel und Produktion
gingen zurück, nachdem Investoren riesige Summen verloren hatten.
Die leitenden Mitarbeiter der South Sea Company wurden von der
britischen Regierung verantwortlich gemacht und juristisch
verfolgt. Einige landeten im Gefängnis, andere begingen
Selbstmord. Die South Sea Company handelte zwar noch weiter, wurde
dann aber 1850 aufgelöst. Die Kosten der Liquidation trug die East
India Company und die Bank of England. Der Administrator dieser
Lösung war Schatzkanzler Robert Walpole, der dadurch u.a. seine
grosse Macht in Grossbritannien begründete. Das einleitende Zitat
von Isaac Newton stammt übrigens aus dieser Zeit der finanziellen
Massenhysterie.
Die Mississippi-Spekulation, Frankreich 1717 - 1720
John Law of Lauriston war ein schottischer Bankier
und Wirtschaftstheoretiker. Er erlebte wie in Europa Münzgeld seit
Generationen durch den Gebrauch niederwertiger Metalle
verschlechtert wurde, wodurch "gutes", "wertvolles" Geld gehortet
wurde. Die Folge waren Geldmangel und Stagnation. Law´s Meinung
nach, konnte Geld auch aus Banknoten (Papiergeld) bestehen, wenn
nur die Deckung gesichert war. Nebst hinreichendem Geldvolumen war
nach seiner Überzeugung Vertrauen der Marktteilnehmer in die
Währung der entscheidende Faktor für eine blühende Wirtschaft.
Nachdem sein Plan zur Neuordnung der Bank von Schottland vom
Parlament abgelehnt wurde, erhielt er 1715 vom Regenten von
Frankreich die Chance, seine Theorien zu Geld und Kredit
umzusetzen. Er war nach Frankreich gerufen worden, um die durch
den spanischen Erbfolgekrieg zerrütteten Staatsfinanzen zu
sanieren.
So gründete er 1716 die Banque Generale und vergab Kredite auf
Papiergeldbasis. Trotz anfänglicher Unterkapitalisierung gewann
die Bank das Vertrauen der Öffentlichkeit und ihre Noten wurden
als Zahlungsmittel akzeptiert. 1718 wurde die Gesellschaft zur
Banque Royale umfirmiert; Law blieb ihr Direktor, konnte den
Notenumlauf aber nicht mehr kontrollieren.
Im Jahre 1717 gründete Law die Handelsgesellschaft Compagnie de la
Louisiane ou d‘Occident (kurz Mississippi-Kompanie). Sie konnte
gewinnträchtige Monopole und Privilegien erwerben. Durch die
Aussicht auf fantastische Gewinne und auch künstliche
Angebotsverknappung waren die Aktien einer starken Nachfrage
ausgesetzt. Die Gesellschaft führte mehrere Kapitalerhöhungen
durch. Gleichzeitig emittierte die Banque Royale immer mehr Noten
und Anleihen, damit Aktien gekauft werden konnten. Die Folge war
eine beispiellose Aktienhausse, die ihrerseits eine
Immobilienspekulation befeuerte und einen wahren Konsumrausch
auslöste. Kioske wurden aufgestellt, an denen Aktien gekauft
werden konnten. Die Menschen auf den Strassen prügelten sich um
die Papiere, es mussten Wachen aufgestellt werden, um den Handel
in der Nacht zu verhindern. Ausländer brachten durch den
Aktienkauf Devisen ins Land. Auch führte die Einführung des
Papiergeldes zuerst zu einer deutlichen Belebung der Wirtschaft.
Bald aber führten die erheblich gestiegene Geldmenge und der
allmählich eintretende Vertrauensverlust zu Inflation. Die
Gesellschaftsordnung wurde zudem auf den Kopf gestellt, indem
nichtadlige Spekulanten innert weniger Monate "Millionäre"
geworden waren (der Ausdruck stammt aus dieser Zeit). Es wurde
offenkundig, dass die erwarteten Gewinne aus dem Überseehandel
nicht eingefahren werden konnten. Nachdem der Kurs für eine 500
Livre Aktie auf bis zu 15‘000 Livre gestiegen war (!) brach die
Hausse im November 1719 zusammen. Ein Run auf die Banque Royale
setzte ein, Law musste um sein Leben fürchten. Eine spätere
Untersuchung ergab, dass grosse Mengen an Banknoten ohne amtliche
Genehmigung, also ohne Laws Mitwirkung, in Umlauf gebracht wurden.
Das Notengeld wurden im November 1720 abgeschafft, die Notenbank
ging bankrott und Frankreich kehrte wieder zum Münzstandard
zurück. Das Platzen der Blase stürzte Frankreich in eine seiner
schwersten Wirtschaftskrisen.
Der Crash von 1873
Der Crash von 1873 folgte auf eine siebenjährige Hausse. Nur zwei Monate nachdem der "Economist" über beachtliche industrielle Fortschritte in Deutschland und Österreich berichtet hatte, kam das erste Signal aus Wien: dort brach die Spekulation am 9. März zusammen. Die Börse wurde geschlossen, tausende von Existenzen verloren über Nacht ihr Hab und Gut. Nachdem im September die Börse in London für zehn Tage geschlossen wurde, griff die Börsenkrise auf Deutschland und schliesslich die USA über. Der entscheidende Schock ging von einem Abbruch der Aussenhandelskredite aus. Die Importe brachen zusammen, es häuften sich die Konkurse, die Arbeitslosigkeit stieg massiv an.
Der grosse Crash von 1929
Der wohl berühmteste und spektakulärste Crash der
Finanzgeschichte. Er wird heute noch als Alptraum empfunden, nicht
zuletzt auch wegen der darauf-folgenden grossen Depression.
Auf die Nachkriegsdepression 1922/23 folgte ein kräftiger
konjunktureller Aufschwung bis 1928/29: Die "Goldenen
Zwanzigerjahre". Wie bei jedem Crash nimmt auch jener von 1929
einen fast "idealtypischen" Verlauf: Die Börsen boomen über Jahre
hinweg. Die Spekulationsblase baut sich zuerst allmählich, dann
beschleunigt auf bis das Unabwendbare eintritt: Die
Spekulationsblase platzt. Massgeblich daran beteiligt waren die in
den 20er Jahren neu aufgekommenen Investmenttrusts. Damit
verbunden sind Namen wie Goldman Sachs (sic!) und die United
Founders. Diese Trusts bedienten sich auch Krediten, um so über
mehr Mittel zu verfügen und mehr Aktien (gehebelt) kaufen zu
können. Im Zuge dieser Entwicklung türmte sich eine Pyramide von
Holdinggesellschaften auf. Das Geschäftsvolumen schwoll bedrohlich
an. Wurden im Jahre 1928 noch 186 neue Investmenttrusts gegründet,
so waren es in den ersten Monaten von 1929 einer pro Geschäftstag.
1927 verkauften die Trusts Anteile im Wert von 400 Millionen
Dollar. 1928 waren es schon drei Milliarden. Vor dem Crash im
Oktober 1929 betrug das Gesamtvermögen der Trusts geschätzte acht
Milliarden Dollar, elfmal mehr als 1927.
Als im Frühjahr 1929 der konjunkturelle Aufschwung zu Ende ging,
kam es prompt im März 1929 zu ersten Turbulenzen am Aktienmarkt.
Als die Dämme zu brechen drohten, erklärte der Direktor der New
York Federal Bank, Charles E. Mitchel, die National-Bank werde
ausreichend Geld zur Verfügung stellen, um zu verhindern, dass
Wertpapierbestände verkauft werden müssten. Dies verfehlte seine
Wirkung nicht, die Lage beruhigte sich wieder.
Der Count-down zum finalen Kollaps begann Anfang September. Der
Markt konnte nach dem Labour Day nicht mehr zu seiner früheren
Dynamik zurückkehren, die Hausse war zu Ende gegangen. Verliefen
die ersten Septembertage noch ruhig, so brach der Markt am 5.9.
ein. Es folgten zahlreiche Beschwichtigungen und Aufforderungen,
nicht weiter zu verkaufen. Am 24. Oktober bahnte sich an, was sich
zum grössten Crash in der bisherigen Börsengeschichte entwickeln
sollte. Es gab schlicht keine Käufer mehr, die Kurse brachen
dramatisch ein. Der "schwarze Donnerstag" zerstörte ein erstes Mal
Hoffnungen und Träume. Der verheerendste Tag war jedoch der
Dienstag, der 29. Oktober, der sich fälschlicherweise als
"Schwarzer Freitag" etablierte. An diesem einen Tag wurden
sämtliche Gewinne der letzten 12 Monate ausgelöscht und die
kreditfinanzierten Investmenttrusts faktisch bereits wertlos. Ein
erster Tiefstand wurde schliesslich am 13. November erreicht. Nach
einer kurzen, kräftigen Erholung Januar bis Mitte März 1930 ging
es wieder massiv abwärts bis zum Tiefststand im Juni 1932. Erst
dann ging die Baisse zu Ende. Verglichen mit dem Höchststand 1929
hatte der Dow Jones 90% an Wert eingebüsst. Die Börse hatte ihren
Tiefpunkt erreicht, die grosse Depression dauerte aber bis Ende
der Dreissigerjahre. Erst im Jahre 1954, nach 25 Jahren, erreichte
der Dow Jones Industrial wieder seinen Höhepunkt von 1929.
Die Kuba-Krise 1962
Die Kuba-Krise ist ein gutes Beispiel eines externen Schocks. Der Crash kam nicht endogen aus Börse oder Wirtschaft heraus, sondern war politisch bedingt. Er kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel 1962. Die Sowjetunion hatte Raketen auf Kuba stationiert und war dabei diese einsatzfähig zu machen. Als die Amerikaner unter Präsident Kennedy den Russen ein Ultimatum stellten, diese wieder abzuziehen, schien es, als ob die Welt am Vorabend eines dritten Weltkrieges stehen würde. Panik kam auf. Der Dow Jones Industrial brach um satte 28% ein.
Der Crash von 1987
Noch eher in unserem Gedächtnis ist wahrscheinlich
der Crash von 1987, als der Dow Jones Industrial am 19. Oktober
dieses Jahres um insgesamt 42% einbrach. Obwohl sich die Märkte
relativ rasch wieder stabilisierten, dauerte es doch immerhin drei
Jahre bis der alte Stand wieder erreicht wurde.
Die 80er Jahre waren begleitet von einer satten Hausse, befeuert
durch fremdfinanzierte Übernahmen und Fusionen. Diese auch Mergers
& Acquisitions genannte Tätigkeit erhielt durch eine Änderung
der Besteuerung in den USA einen Dämpfer. Als dann auch noch die
Zinsen anzogen und die Iraner einen US-Öltanker angriffen, kam es
zum Platzen der Blase. Diese hatte sich durch eine fünf Jahre
dauernde Hausse mit Beginn 1982 kontinuierlich gebildet. Die
Märkte waren in diesem Zeitraum rund 300% gestiegen, das
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) lag auf historischen Höchstständen.
Es brauchte also wie immer nur noch den berühmten Funken, um das
Fass zum explodieren zu bringen. Durch das Hineinpumpen von massiv
Liquidität von Seiten der Notenbanken, im Unterschied zu 1929,
erholten sich die Börsen wie gesehen relativ schnell. Die
Geldpolitik legte aber auch einen Grundstein für die weitere
absurde Blasenbildung in den 90er Jahren.
Der Crash in Raten 1998/2000/2003
Die 90er Jahre des vorherigen Jahrhunderts waren
geprägt von einer beispiellosen Hausse. Befeuert durch technische
Revolutionen in der Informationstechnologie (Internet, Handys
etc.) schraubten sich die Aktienmärkte in immer neue Sphären vor.
Die Erwartungshaltung gegenüber den neuen Technologien und ihrer
Ertragskraft nahm absurde Dimensionen an. Die "alten" ökonomischen
Gesetzmässigkeiten wurden (wieder einmal) für ausser Kraft gesetzt
erklärt (ein untrügerisches Zeichen jeder unkontrollierten
Euphorie und Hysterie an den Märkten). Die "New Economy" sollte
alles bisher dagewesene revolutionieren, neue Gesellschaftsmodelle
wurden postuliert. Unternehmen ohne irgendwelche Gewinnausweise
oder gar Cash Flow wurden mit wahnwitzigen Milliardenbeträgen an
den Börsen bewertet.
Einen ersten Warnschuss vor den Bug gab es im Sommer 1998, als der
Dow Jones Industrial um 20% fiel. Ausgelöst wurde er durch das
Debakel eines Hedge-Funds, des Long Term Capital Management Fund
(LTCM). Dieser geriet mit einem enormen Kredithebel in Schieflage.
Um eine Kettenreaktion an den Märkten zu vermeiden, schritt die
amerikanische Notenbank massiv ein; sie konnte die Lage
stabilisieren.
Der Warnschuss von 1998 wurde schnell wieder ignoriert. 1999 war
das Jahr der endgültigen kollektiven Manie. Die Bewertungen
schossen endgültig in astronomische Sphären vor, für Neuemissionen
irgendwelcher Firmen, die zum Teil weder Produkte oder gar
Einnahmen vorweisen konnten, wurden Rekordpreise blind bezahlt.
Private Investoren verschuldeten sich, um an dieser gigantischen
Aufwärtsbewegung teilhaben zu können. Jede wirtschaftliche
Vernunft hatte das Handeln verlassen.
Anfang 2000 begann ein für private und institutionelle Anleger
katastrophaler Crash. Nach einer kurzen Erholung im Herbst 2002,
lösten Unsicherheiten über die weitere Entwicklung im Nahen Osten
weitere Kursrückgänge aus, diesmal v.a. in Europa. Beendet wurde
der Crash erst mit dem Beginn des Irak-Krieges im März 2003.
Beim Crash ab 2000 kam es zu einem regelrechten Massaker quer
durch alle Branchen der „New Economy“. Viele Unternehmen erlitten
Totalverluste oder Verluste von 98 und 99 Prozent. Aber auch
traditionelle Unternehmen erlitten dramatische Einbussen. Viele
Versicherungen, also Unternehmen, die uns absichern sollen, die
unsere Vorsorge regeln, gerieten an den Rand des Ruins. Führende
Versicherer wie Aegon, Allianz oder Zurich Financial Services
verloren um 90 Prozent an Wert. Auch 2010 notieren unzählige Blue
Chips unter den Höchstständen von 1998, von den Hightech-Aktien
ganz zu schweigen.