Die Investment-Strategie als Teil des Lebenszyklusplanes
Das folgende
Dokument stellt eine Einführung in die Welt des Investierens dar
und verbindet diese mit dem im Bereich Finanzplanung erörterten
Konzept der
Lebenszyklusplanung.
Wie wir bereits bei den Erörterungen zur
persönlichen Situation im Bereich Finanzplanung gesehen haben,
sollte ein Finanzplan als Lebenszyklusplan aufgebaut sein und
rollend angepasst werden. Daher macht es natürlich auch Sinn, die
Investment-Strategie auf diese Phasen hin auszurichten und
anzupassen. Das folgende Papier soll Ihnen die grundlegenden
Gedanken hierzu aufzeigen.
Teil 1: Grundlegendes Anlagewissen
Risiko
Jeder Anlageentscheid ist mit Risiko behaftet.
Daher ist das Verstehen des Risikobegriffes von fundamentaler
Bedeutung für das Verstehen von Investition und Anlage. Ohne das
Bewusstsein der Risiko-Rendite-Relation wird jede Anlagetätigkeit
zum simplen Glücksspiel.
Wie aber definieren wir Risiko?
In einem simplen und praktikablen Ansatz könnten wir Risiko
umschreiben als Wahrscheinlichkeit, dass unsere Anlage am Ende der
Halteperiode weniger Wert sein wird als zum Kaufzeitpunkt.
In der Finanztheorie umfasst der Risikobegriff aber nicht nur das
Verlustrisiko, sondern auch die Gewinnchancen ("positives Risiko").
Sie misst das Risiko mit Hilfe einer statistischen Grösse: der Varianz resp. der
Standardabweichung. Diese beschreibt das Ausmass (die Volatilität),
um welches die Rendite einer Investition um eine erwartete
mittlere Rendite während einer bestimmten Zeitdauer schwanken
kann. Nehmen wir folgende zwei Beispiele:
- Angenommen ein Investment bringt Ihnen eine garantierte Rendite von 10% über die Laufzeit. Ihre „erwartete Rendite“ beträgt also 10%. Da die Rendite garantiert ist, gibt es keine Möglichkeit eines anderen Ertrages und die Varianz ist null. Das Risiko ist null (ob dies in der Realität überhaupt möglich ist, werden wir noch erörtern).
- Nehmen wir an, eine andere Anlagemöglichkeit biete Ihnen eine
50%-Chance auf 40% Gewinn-Rendite und eine 50%-Chance auf einen
Verlust von 10%. Die erwartete Rendite dieser zweiten
Anlagemöglichkeit beträgt (50%x40% + 50%*-10%), also 15%. Die
tatsächliche Rendite jedoch wird höchstwahrscheinlich nicht 15%
betragen. Sie wird variieren. Dies impliziert die Existenz von
Risiko. Je grösser die Varianz, desto grösser das Risiko.
Die (erwartete) Varianz kann benutzt werden, um das Risiko verschiedener Anlagen miteinander zu vergleichen, oder um die Eignung eines Investments zu beurteilen, wenn die eigene Risikopräferenz bekannt ist. Einige wichtige Schlüsse können aus diesen zwei Beispielen gezogen werden:
- Wenn wir die erste Anlagemöglichkeit (10% Rendite, kein Risiko) mit der zweiten (15% Rendite, risikobehaftet) vergleichen, erhalten wir keine Antwort auf die Frage, welches das bessere Investment ist. Das zweite hat eine höhere erwartete Rendite (wenn Sie diese Anlage 1000 mal tätigen, würden Sie im Schnitt 15% verdienen), aber auch ein höheres Risiko (Sie kennen die Verteilung der 50%-Ergebnisse nicht im voraus, vergleichen Sie dazu den Münzenwurf Kopf oder Zahl). Der Investmententscheid ist abhängig vom Trade-off zwischen Risiko und Rendite, welcher der Investor bereit ist, zu machen. Jeder Anlageentscheid muss die beiden Grössen Risiko und Rendite miteinbeziehen.
- In jedem effizienten Markt werden die erwarteten Renditen höher sein für Anlagen mit höherem Risiko – aber nur für unvermeidbare Risiken (siehe nächstes Kapitel).
- Der Risiko-Rendite Trade-off ändert sich mit dem angewandten Zeithorizont des Investors. Der Risiko-Rendite Trade-off für eine jährige Haltefrist wird anders aussehen als der für eine fünfjährige Haltefrist. Daraus erklärt sich die Wichtigkeit, einen sauberen Anlagehorizont für jeweilige Investitions-Entscheide zu definieren.
Risiko - Die
Einzelkomponenten
Das Gesamtrisiko einer Anlage kann in einzelne Komponenten zerlegt
werden.
Geschäfts-/firmenspezifisches Risiko
Das Geschäts-/Firmenrisiko wird in der Theorie auch
unsystematisches Risiko genannt. Es beinhaltet das
geschäftsspezifische, unternehmerische Risiko. Zum
geschäftsspezifischen Risiko gehören alle Managemententscheide wie
Produkt-, Preis-, Marketingpolitik, Erfolg von Forschung und
Entwicklung, Konkurrenzsituation, firmenspezifische Unglücke etc.
Speziell bei Obligationen/Anleihen wird auch das Bonitätsrisiko
zum Geschäftsrisiko gerechnet. In der modernen Portfolio-Theorie
wird dieses Risiko vom Markt nicht abgegolten, da es durch
Diversifikation mit anderen Titeln eliminiert werden kann (siehe
nächsten Abschnitt "Risikoreduktion: Diversifikation").
Marktrisiko
Aktien- wie auch Obligationen unterliegen einem generellen
Marktrisiko. Dieses unterliegt generellen gesamtwirschaftlichen
und/oder politischen Entwicklungen. Einhergehend
sind anlegerspezifische Gegebenheiten wie Optimismus, Euphorie,
Vorsicht, Panik an den Märkten. Bei Obligationen wirkt direkt das
Zinsänderungsrisiko. Steigende Zinsen führen zu tieferen Kursen
bei Anleihen, fallende Zinsen haben steigende Kurse bei Anleihen
zur Folge (siehe auch
Anlageinstrumente/Anleihen). Da steigende
Zinsen sich auch auf die zukünftigen Gewinne von Unternehmen
auswirken, führen sie oft zu sinkenden Aktienkursen, wodurch sich
eine positive Korrelation zwischen Anleihen und Aktien ergibt
(gleichzeitiges Sinken und Steigen der Kurse). Dieser unerwünschte
Effekt wird oftmals unterschätzt. Das Marktrisiko wird in der
modernen Portfoliotheorie systematisches Risiko genannt. Es kann
nicht durch Diversifikation eliminiert werden.
Inflationsrisiko
Alle Investitionen unterliegen dem Inflationsrisiko - dem Risiko,
dass die Geldentwertung den realen Wert der Erträge und nominellen
Wert des zugrundeliegenden Investments mindert oder gar
eliminiert. Entscheidend für ein Investment sind nur die realen
Erträge (also nach Inflation). Aktien als Realwerte werden bis zu
einem gewissen Grad als Inflationsschutz angesehen (bei einer
"normalen", also sicher tiefen einstelligen Inflation). Besonders
anfällig sind langlaufende Obligationen und gebundene Liquidität.
Bei galoppierender Inflation hat sich in der Vergangenheit Gold
als guter Schutz erwiesen. Generell werden in Inflationsphasen
reale Vermögensgegenstände verbrieften, nominalen Wertpapieren
vorgezogen.
Liquiditätsrisiko
Es gibt zwei Arten von Liquiditätsrisiken:
- Unmöglichkeit des Verkaufs aufgrund fehlender Käufer
Je illiquider ein Markt, d.h. je weniger Marktteilnehmer pro Objekt, desto grösser dieses Risiko. Als Beispiele dienen der Immobilienmarkt oder klein- bis mittelkapitalisierte Aktienwerte. Als Grad für die Liquidität eines Marktes kann die Differenz (Spread) zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis dienen. - Zwang, ein Investment zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkaufen zu müssen Deshalb ist es so entscheidend, die potentielle Haltedauer eines Investments mit seinen persönlichen Präferenzen und Plänen in Einklang zu bringen. Nichts ist schlimmer, als in einer Baisse aufgrund persönlicher Gegebenheiten zu miserablen Preisen verkaufen zu müssen.
Aktien |
Obligtionen/Anleihen |
Liquidität |
|
Geschäfts-risiko | hoch kann durch Diversifikation eliminiert werden |
hoch (bei Unternehmensanleihen) kann durch Diversifikation teilweise eliminiert werden |
nicht vorhanden |
Marktrisiko | hoch | mittel (höher für längere Laufzeiten) | nicht vorhanden |
Inflations-risiko | tief (reale durchschn. Rendite um 7%) | hoch (reale durchschn. Rendite 1.9%) | hoch |
Liquiditäts-risiko | Liquide Märkte, aber hohes Risiko, zum falschen Zeitpunkt verkaufen zu müssen | Liquide Märkte, aber hohes Risiko, zum falschen Zeitpunkt verkaufen zu müssen | tief wird benutzt, um Lidquiditätsrisiko des Gesamt-portfolios zu senken |
Risikoreduktion: Diversifikation
Wir haben also das Gesamtrisiko unserer Anlage
definiert als die Varianz der Rendite. Aber was begründet diese
Varianz? Bezogen auf den Aktienmarkt können wir zwei Faktoren
identifizieren, welche zu Veränderungen der Aktienrendite führen:
Veränderungen in einer Firma oder in der Art wie eine Firma von
Investoren wahrgenommen wird, und die allgemeinen Bewegungen des
Aktienmarktes. Wir sehen also zwei inhärente Komponenten des
Risikos, denen ein Investor ausgesetzt ist: das firmenspezifische
Risiko und das Marktrisiko.
Das firmenspezifische Risiko macht bis zu 70% des Gesamtrisikos
von Aktienanlagen aus. Dieses Risiko jedoch kann praktisch völlig
eliminiert werden durch Diversifikation in verschiedene Aktien
(Beispiel: verliert eine Firma Marktanteile durch schlechtes
Management, so wird bestimmt eine andere davon profitieren).
Bereits 15 verschiedene Aktien genügen, um das firmenspezifische
Risiko „wegzudiversifizieren“. Das Marktrisiko andererseits macht
30% des Gesamtrisikos aus und kann nicht eliminiert werden durch
Diversifikation, da alle Aktien bis zu diesem Grade den Bewegungen
des Gesamtmarktes unterworfen sind.
Diese Erkenntnis ist von grösster Wichtigkeit. Ein Investor mit
einer einzigen Aktienanlage in seinem Portfolio nimmt 100% des mit
Aktienanlagen assoziierten Risikos auf sich, verglichen mit nur
30% Risiko, die ein Anleger mit einem diversifizierten Portfolio
eingeht. In anderen Worten: der Einzelaktienanleger nimmt drei Mal
mehr Risiko auf sich. Dies kann dazu führen, dass ein Investor,
der sich als eher konservativ einschätzt und in einen Blue Chip
mit tiefem Risiko investiert (z.B Swisscom) eigentlich ein höheres
Risiko fährt als jemand, der in 10 „aggressivere“ Wachstumsaktien
anlegt.
Der Aktienmarkt belohnt also wie wir oben gesehen haben, höheres
Risiko mit höherer Rendite, aber nur für unvermeidbares
(nicht-diversifizierbares) Risiko. Firmenspezifisches Risiko ist
grösstenteils vermeidbar. Dabei spielt es keine Rolle, welche
Investment-Ziele ein Anleger hat, welche Haltedauer oder welche
Art von Aktienanalyse er durchführt. Ohne ein diversifiziertes
Portfolio wirft ein Anleger entweder Rendite weg oder er geht
Risiko ein, das hätte vermieden werden können. Wir werden später
sehen, was Diversifikation über verschiedene Anlageklassen – also
nicht nur wie hier beschrieben Aktien – bedeutet.
Investment-Ansätze / Investment-Stile
Es gibt viele verschiedene Strategien, wie ein Markt
(Aktien, Rohstoffe, Währungen, Obligationen etc.) analysiert resp.
in ihn investiert werden sollte. Die meisten aber fallen unter
drei breite Kategorien:
- Fundamentale Analyse
- Technische Analyse
- Kaufen und Halten des Gesamtmarktes
Wir starten mit der dritten Kategorie, dem Kaufen und Halten des
Marktes-Ansatz, da dieser eigentlich die Benchmark darstellt, nach
der jeder andere Ansatz bemessen werden sollte. Durch das Kaufen
einer grossen Anzahl diversifizierter Anlagen eines Marktes (z.B.
des DAX oder des SMI) oder eines entsprechenden Index-Fonds
erreicht der Investor das Rendite-Profil des entsprechenden
Gesamtmarktes. Kein anderer analytischer Investment-Ansatz ist
gültig, wenn er nicht auf lange Frist nachhaltig den Markt
schlagen kann. Erzielt ein spezifischer Ansatz nachhaltig eine
Rendite über der Marktrendite mit gleichem Risiko, so benennen wir
diese Differenz als Überrendite oder „Excess Return“. Sie stellt
den Mehrwert des entsprechenden Investment-Ansatzes dar.
Die fundamentale Analyse ist ein Ansatz, der in erster Linie den
Wert eines entsprechenden Investments ermitteln soll. Dabei werden
betriebswirtschaftliche, mikro- und makroökonomische Daten
analysiert, die - im Falle der Aktienanalyse - die künftigen
Erträge der Firma und deren Varianz bestimmen. Aufgrund der
Analyse der Bilanz sowie der Schätzungen der künftigen Gewinne
wird versucht, einen möglichst objektiven Wert der Aktie
zuzuordnen. Der Ansatz versucht diejenigen Aktien zu ermitteln,
deren Marktpreis in einem möglichst günstigen Verhältnis zum
errechneten „objektiven“ oder „fairen“ Wert stehen (d.h. unter dem
Marktwert liegen) resp. diejenigen Aktien als Anlagen
auszuschliessen, die am Markt überbezahlt sind.
Zur fundamentalen Analyse
finden Sie auf unseren Seiten ein Kapitel mit
verschiedenen Ansätzen und Hilfsmitteln.
Die technische Analyse ist ein Ansatz die zukünftigen Kurse
aufgrund von Preis- und Volumenänderungen der Vergangenheit
vorherzusagen. Die zugrundeliegende Annahme dabei ist, dass
Preise aufgrund psychologischer und marktgegebener Faktoren
festgelegten Mustern folgen und der Investor, falls er den Beginn
dieses Musters erkennt, den Verlauf genügend gut vorhersehen
kann, um so eine Überrendite erzielen kann. Klicken Sie auf den folgenden
Link, um mehr zur technischen Analyse
zu erfahren.
Effiziente Märkte?
Gemäss der v.a. an den Hochschulen immer noch
favorisierten Theorie der effizienten Märkte, bilden Aktienkurse
alle öffentlich verfügbaren Informationen ab, aufgrund derer die
Gesamtheit aller Investoren Erwartungen über den fairen Wert einer
Aktie bildet. Die an der Börse gehandelten Aktienkurse sollten
daher sehr nahe den realen, tatsächlichen Wert einer Aktie (eines
Unternehmens) widerspiegeln, da der Erwartungsbildung ein „Homo
Oeconomicus“, ein rational denkender und handelnder Mensch zu
Grunde gelegt wird.
Die Theorie nimmt also an, dass die Preise im Schnitt den realen
(fairen) Wert abbilden, dass aber durchaus Abweichungen dieses
Durchschnittes auftreten können. Diese Abweichungen sind aber
unvorhersehbar - manchmal positiv, manchmal negativ; sie sind
unter dem Begriff "Random Walk" (Zufalls-Weg) bekannt. Dieser
„Random Walk“ erklärt kurzfristige Abweichungen, die
offensichtlich ohne vorhersehbaren Grund zufällig auftreten.
Verfechter der effizienten Markttheorie verwerfen daher den
Gedanken, dass ein Investor aufgrund von technischer oder
fundamentaler Aktienanalyse eine Überrendite erzielen kann, die
über die Rendite eines langfristigen Kaufe-und-Halten-Ansatzes des
Gesamtmarktes resp. eines einzelnen Titels hinausgeht. Mit anderen
Worten: Märkte sind eben informations-effizient bezüglich des
Preises resp. der Kurse einer Anlage.
Aber hält diese Theorie auch in der Realität?
Auch in der akademischen Lehre haben sich in den letzten
Jahren Meinungen verdichtet, dass Preise an Aktienmärkten
durchaus sehr stark und nachhaltig von ihrem inneren (fairen) Wert
abweichen können. Psychologische Faktoren beeinflussen die
Wahrnehmung verfügbarer Informationen viel stärker als bisher
angenommen. Diese Faktoren beeinflussen auch sonst das Verhalten
"rationaler" Investoren bezüglich ihrer Kaufs- und
Verkaufsentscheidungen.
Die "Behavioral Finance"-Theorie befasst sich mit all diesen
"menschlichen" Komponenten der Informationsverarbeitung.
Inzwischen setzt sich langsam die Meinung durch, dass der Markt
durchaus ineffizient sein kann, und dass es daher Gelegenheiten
geben kann, die Rendite einer Kaufen-Halten-Strategie zu
übertreffen. Eine solche Überrendite nachhaltig zu erzielen ist
jedoch ein sehr schwieriges Unterfangen, und mit entsprechendem
Aufwand verbunden. Eine Überschussrendite von 2%-3% im Jahr über
die lange Frist wäre bereits ein grosser Erfolg; diese kann jedoch
das Vermögen eines Investors bis zu seiner Pensionierung
verdoppeln. Klicken Sie auf den folgenden Link, um mehr zur
"Behavioral Finance"-Theorie
zu erfahren.
Portfolios
Wie wir bereits im Abschnitt Risikoreduktion:
Diversifikation gesehen haben, kann im Aktienmarkt durch die
Kombination verschiedener Aktien das Risiko vermindert werden und
somit eine optimale Risikorendite-Konstellation erreicht werden.
Dieses Prinzip gilt natürlich auch bei der Bildung eines
persönlichen Investment-Portfolios über verschiedene Anlageklassen
hinweg. Das Kombinieren verschiedener, möglichst voneinander
unabhängiger Anlagen kann zu einer deutlichen Risikoreduktion
führen. Eine Senkung des Risikos bedeutet aber auch immer eine
Verminderung der erwarteten Rendite. Somit hat jeder Investor die
Möglichkeit, seine optimale Risiko-Rendite Konstellation zu
bilden. Wir werden später sehen, dass dabei v.a. - nebst der
persönlichen Risikoneigung - auch die aktuelle Lebenssituation
eine grosse Rolle spielt.
Von höchster Wichtigkeit bei der Portfoliobildung ist daher, ein
klares Ziel und einen entsprechenden Zeitrahmen zu definieren.
Können kurzfristige, starke Schwankungen in der Rendite in Kauf
genommen werden oder ist man auf einen stetigen Einkommensstrom
angewiesen? Wie können unwiderrufliche Verluste verkraftet werden?
Muss zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Kapital für eine
Anschaffung zur Verfügung stehen? All diese Fragen und weitere
sind bei der Portfolio-Bildung zu beantworten. Ein persönlicher
Finanzplan (siehe dazu unter Punkt Finanzplanung auf unserer
Homepage) hilft ausserordentlich.
Lassen Sie uns anhand von realen Daten des amerikanischen
Aktienmarktes die Punkte Ziele und Zeitrahmen erörtern.
Zeitrahmen: kurzfristig versus
langfristig
Folgendes Beispiel zeigt die Veränderung des Risikos als Funktion
der Zeit. Der Einfachheit halber definieren wir Risiko als
Wahrscheinlichkeit, dass bis zum Ende der Halteperiode
investiertes Vermögen zumindest teilweise vernichtet wurde.
Tabelle 1 zeigt für verschiedene Anlagekategorien des
amerikanischen Finanzmarktes die Anzahl der Zeitperioden zwischen
1926 und 2009 während derer Verluste eintraten.
Tabelle 1
Anlagehorizont und Verluste 1926 - 2009 | |||||
Haltedauer in Jahren | Prozentsätze der Halteperioden, die mit Verlusten endeten | ||||
S&P 500 | Kleinere Firmen | Untern.- Anleihen |
Staats- anleihen |
Treasury Bills 1) |
|
1 | 29% | 31% | 20% | 26% | 0% |
3 | 17% | 20% | 10% | 11% | 0% |
5 | 14% | 14% | 4% | 6% | 0% |
10 | 7% | 5% | 0% | 1% | 0% |
Quelle: Roger G. Ibbotson and Rex A. Sinquefield, „Stock, Bonds, Bills and Inflation,“ 1982 ed., Institute of Chartered Financial Analysts, Charlottesville, Va.; updated by Ibbotson Associates, „Stocks, Bonds, Bills and Inflation 2010 Yearbook,” Chicago
1) T-Bills sind sehr kurzfristige amerikanische Staatsanleihen (Laufzeit 1 -12 Monate)
Hätten Sie also während dieses Zeitraumes einmal in
den Markt der 500 grössten amerikanischen Unternehmungen (S&P
500) mit einer einjährigen Halteperiode investiert, so hätten Sie
mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 29% einen Verlust
erlitten. Hätten Sie die Aktien zehn Jahre gehalten, hätte die
Verlustwahrscheinlichkeit nur noch 7% betragen. Interessant auch
zu sehen, dass als sogenannt sicher geltende Anlagen wie
Staatsobligationen (U.S. Government Bonds) bei einer einjährigen
Halteperiode in immerhin 26% aller Fälle zu einem Verlust führten
(aufgrund von Zinsänderungen)!
Ziele setzen: Risiko und Rendite
In einer Untersuchung über Risiko und Renditen der verschiedenen
Anlageklassen über die letzten 50 Jahre zeigte sich klar, dass als sicher angesehene Anlagen wie
Staatsobligationen oder U.S Treasury Bills über die lange Frist
weniger einbrachten als aggressivere, als risikobehaftet angesehene Aktien kleinerer resp. noch
junger Unternehmungen. Eindrücklich aber auch der Umstand, dass über
bestimmte 10 Jahresperioden mit Staatsobligationen eine höhere Rendite
erzielt werden konnte als mit Aktien. Wir sehen, dass "kurzfristige" Schwankungen
eben durchaus länger dauern können. Daher auch der generelle Rat,
bei einem Aktienkauf mindestens einen Horizont von 10 Jahren
einzuplanen.
Seien sie sich also bei der Portfoliozusammenstellung klar über
das Risiko einzelner Anlageklassen. Wir werden im zweiten Teil auf
Modellportfolios für unterschiedliche Lebenssituationen eingehen.
Teil 2: Die Lebenszyklus Investment-Strategie
Das Leben als Investor beginnt mit dem Verdienen
der ersten paar Franken oder Euros. Werden diese in jungen Jahren
noch für kurzfristige Anschaffungen notwendiger Sachanlagen
verwendet, so werden sich im Verlaufe des Lebens vermehrt
finanzielle Möglichkeiten ergeben, Geld sinnvoll anzulegen.
Wir werden unsere weiteren Ausführungen eng an den Lebenszyklusplan
und die Vorsorgepyramide anlehnen, wie Sie dies in den
Ausführungen zur Finanzplanung bereits kennengelernt haben. Nehmen
Sie zu diesem Zweck die Vorsorgepyramide und Beispielportfolios
von unserer Homepage zur Hand.
Phase 1
In dieser Phase wird das erste Geld verdient. Nebst der Deckung
unmittelbarer Bedürfnisse soll in dieser Phase ein Kissen für
Notfälle gelegt werden. Dies bedeutet, dass in erster Linie der
Risikovorsorge durch entsprechende Versicherungen Rechnung
getragen werden sollte. Zudem soll ein finanzielles Kissen
jederzeit verfügbaren Vermögens in der Höhe von ca. 3 - 6
Monatslöhnen erarbeitet werden, um Notfälle abzudecken. Wir legen
also den Grundstock entsprechend dem Fundament unserer
Vorsorgepyramide. Erst wenn all dies erreicht und erstellt ist,
können wir uns mit den darüber hinausgehenden Ersparnissen anderen
Investitionsmöglichkeiten zuwenden.
Investitionstechnisch bedeutet dies, dass vor allem kurzfristige,
möglichst risikolose Anlagen in Betracht zu ziehen sind, also
- Bankkonten bei sicheren Banken (Kantonalbanken)
- Geldmarkfonds
- Einrichten von Vorsorgekonti (Banken- oder
Versicherungslösung)
- Abschluss von Risikodeckungen (z.B. Invalidität durch
Krankheit)
Ist dieser Grundstock gelegt, kann mit der Planung grösserer
Anschaffungen begonnen werden. Dies kann zum Beispiel gezieltes
Sparen auf ein Eigenheim (Einfamilienhaus, Stockwerkeigentum)
sein. Selbstgenutztes Wohneigentum stellt immer noch eine der
rentabelsten und besten Anlageformen dar und sollte in keinem
Portefeuille fehlen. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, Vermögen
rentabler als oben gezeigt anzulegen. Wichtig ist dabei, wie
bereits im ersten Teil erwähnt, einen genauen Zeitplan
auszuarbeiten, bis wann Wohneigentum gekauft werden soll. Das
Portefeuille sollte auf diesen Zeitraum ausgerichtet werden,
sodass dann das benötigte Kapital auch zur Verfügung steht. In der
Praxis bedeutet dies einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont
von 5 - 15 Jahren. Risikotechnisch ist das Kapital, welches zur
Finanzierung eines Eigenheimes verwendet werden soll, eher
konservativ anzulegen. Wir wählen also einen Mix aus
Obligationenanlagen und Aktienanlagen, stützen uns dabei v.a. auf
Fonds die in einen bestimmten Index (SMI, DAX, S&P 500 bei
Aktien, resp . einen entsprechenden Obligationenindex)
investieren. Eine breite Palette von kostengünstigen sogenannten
ETFs (Exchange Traded Funds) bietet sich an. Achten Sie auf die
Gebühren! Sie sind ein mitentscheidendes Kriterium, ob Sie Ihre
Renditeziele erreichen. Zur Aufteilung des Porftolios siehe
Graphik unten resp. auf unserem separaten Dokument.
Phase 2
Der Grundstock ist erstellt, das Eigenheim erbaut, oder kurz davor
erbaut zu werden. Jetzt geht es darum, nebst weiteren Projekten,
die in Angriff genommen werden (Ausbildung der Kinder, Ferienhaus,
schöneres Auto etc.), weitere Dispositionen bezüglich Ihrer
Finanzen zu treffen. Anlagetechnisch können wir beginnen,
längerfristig anzulegen. Bedenken Sie, dass aufgrund des
Zinseszinseffektes jedes Jahr, in dem Sie eine über der Inflation
liegende Rendite erzielen, Ihr Vermögen vervielfachen kann. Der
Prozentsatz in unserem Portfolio kann also zugunsten von
Aktienanlagen erhöht werden. Je nach verfügbarer Zeit kann
spezifischer in bestimmte Trends oder Märkte investiert werden.
Aber nach Möglichkeit immer noch in Form von Fonds. Einzelanlagen
sollten nur getätigt werden, wenn wirklich Vermögen vorhanden ist,
das keinem spezifischen Zweck in unserem Finanzplan zugeordnet
ist, und somit ein Verlust auf diesen Anlagen unsere
Lebensumstände resp. Lebensziele nicht beeinflusst.
Phase 3
Dies ist die Phase, in der das Einkommen noch wächst, die Ausgaben
jedoch nicht mehr unbedingt. Die Kinder sind eventuell bereits
ausgeflogen, die Hypothek weitgehend amortisiert. Es steht somit
mehr Geld zur Verfügung welches auch risikoreicher investiert
werden kann. Auf unsere Vorsorgepyramide bezogen heisst das, dass
wir auch die im oberen Teil gelegenen, risikoreicheren
Anlageformen in Betracht ziehen können. Dies aber nur, wenn Sie
sich auch die Zeit gönnen und nehmen, Ihr Finanzwissen zu
erweitern, so dass Sie in der Lage sind, Chancen und Risiken
dieser Anlagen genau analysieren zu können und dies auch tun!
Anlagetechnisch verfolgen wir grundsätzlich einen langfristigen
Anlagehorizont unter Ausnutzung von kurzfristigen Chancen.
Nebst den oben erwähnten Anlageformen der Obligationen- und
Aktienindexfonds kommen folgende Anlagen in Frage:
- Einzelaktien, die v.a. folgende Charakteristiken aufweisen:
- Potential für ausserordentliches Gewinnwachstum (vernünftig bewertete junge Hightech-Unternehmen);
- solide, aber unterbewertet, d.h. sehr tiefes Preis/Buchwert-Verhältnis, sehr tiefes Kurs/Gewinn-Verhältnis
- Rohstoffe (über Zertifikate oder Fonds)
- Options- und Futures-Strategien (bei entsprechendem Wissen!)
- Direktanlagen in junge Firmen (Private Equity)
- Hochverzinsliche Obligationen (Junk Bonds)
Es sei nochmals mit Nachdruck darauf hingewiesen,
dass in solche Anlagen nur nach sorgfältiger Analyse aller Chancen
und Risiken investiert werden sollte. Blindes Investieren auf „Gut
Glück“ oder aufgrund heisser Tipps der Finanzpresse oder von
Freunden führt meistens zu hohen finanziellen Verlusten und kann
unsere finanzielle Sicherheit gefährden!
Phase 4
Waren unsere Bemühungen erfolgreich, so können wir jetzt die
Früchte unserer Anstrengungen ernten und unseren (vorzeitigen)
Ruhestand geniessen. Im Vordergrund steht das Erzielen eines
steten finanziellen Einkommens. Dies geschieht durch die
Auszahlung von Kapitalversicherungen und Vorsorgegeldern, Renten
und angespartem Vermögen. All dieses Geld soll möglichst
risikofrei Angelegt werden. Ein hoher Anteil also breit gestreut
in festverzinslichen Anlagen (erstklassige Obligationen,
Festgelder, Bankkonti). Kapitalerhalt steht bei den anzulegenden
Geldern im Vordergrund.
Teil 3: Generell zu beachtende Punkte
Unabhängig von den oben dargelegten Ausführungen zu
Risiko/Rendite und deren Implikationen auf unsere jeweilige
Investitionsstrategie gilt es folgende Punkte zu beachten:
Transaktionskosten
Ihnen wird immer noch zu wenig Beachtung geschenkt.
Dabei machen sie einen Grossteil unseres Erfolges oder eben
Misserfolges aus.
Ein Beispiel: Sie legen CHF 100‘000 an zu 3%. Nach 20 Jahren
erzielen sie damit einen Gewinn von CHF 80‘600. Bei jährlichen
Transaktionskosten von nur schon 0.5% vermindert sich dieser
Gewinn auf nur noch CHF 63‘900. Eine Differenz von fast CHF 17`000
- haben oder nicht haben! Es lohnt sich also um jedes zehntel
Prozent zu kämpfen.
Achten Sie deshalb zuerst auf Ihre jährlichen Depotkosten (meist
vierteljährlich abgerechnet). Vergleichen Sie verschiedene
Anbieter (Banken, Online-Broker); die Unterschiede können
erheblich sein. Vor allem wenn Sie häufiger handeln, richten sie
ein Konto bei einem Online-Broker ein. Sie sparen dort massiv
Courtage ein, auch gegenüber Online-Diensten von Grossbanken.
Achten Sie des Weiteren bei Fondskäufen immer auf die „Total
Expense Ratio“ (TER) oder die „Management Fee“, also die Kosten,
die jährlich dem Fondsmanagement zu Ihren Lasten gutgeschrieben
werden. Achten Sie ebenfalls darauf, ob eine Ausgabe- oder
Rückgabekommission anfällt. Konzentrieren sie sich deshalb auf
ETF-Fonds und verzichten sie wo möglich auf aktiv gemanagte Fonds,
da diese nachweislich im Schnitt die Benchmark-Indizes nicht
schlagen, aber höhere Kosten verursachen.
Völlig undurchsichtig bezüglich Ihrer Kostenstruktur sind
sämtliche strukturierten Produkte! Lassen Sie sich von den
angebotenen „hohen“ Coupons und Konditionen nicht blenden. Meist
sind diese bezüglich Risikokonstellation unvorteilhaft (die
Coupons müssten eigentliche noch höher sein, resp. die Konditionen
noch vorteilhafter; Kosten werden auf diese Weise versteckt in
Rechnung gestellt, ohne dass der Investor dies unmittelbar sieht).
Steuern
Vergessen Sie bei Ihren Investitionsentscheiden
auch die steuerlichen Aspekte nicht! Denken Sie daran:
festverzinsliche Anlagen wie Obligationen, Bankkonti etc.
unterliegen der normalen Einkommenssteuer, wohingegen
Kapitalgewinne nicht versteuert werden müssen, sofern Sie nicht
als professioneller Händler qualifiziert werden. Steuern können
Ihnen je nach Steuersatz locker zwischen einem Viertel bis zu
einem Drittel Rendite wegfressen! Wenn sich schon relativ geringe
Transaktionskosten wie oben gesehen materiell niederschlagen,
brauchen wir Ihnen die Konsequenzen dieser Grössenordnung auf
Ihren Anlageerfolg nicht mehr darzulegen. Die oben wegen der meist
hohen, versteckten Transaktionskosten verschmähten strukturierten
Produkte können aus steuerlicher Sicht unter Umständen sinnvoll
sein, da nur ein jeweils kleiner Anteil am Coupon
einkommenssteuerpflichtig ist; der grössere Teil gilt als
Kapitalgewinn. Achten Sie auch bei Fondsanlagen auf die
Besteuerung. Bestimmte in Luxemburg angesiedelte Fonds schweizer
Banken unterliegen z.B. zumindest nicht der Verrechnungssteuer.
Markt-Timing
Es gibt unzählige Meinungen und Literatur darüber,
ob Sie den idealen Ein- und Ausstiegszeitpunkt in eine Anlage
timen können oder nicht. Ohne näher darauf einzugehen gilt
generell: bleiben Sie investiert, aber vermeiden Sie Verluste.
Dies erscheint leichter gesagt als getan oder vielleicht sogar ein
Widerspruch. Sie können dies jedoch erreichen, indem Sie je nach
Marktlage Umschichtungen in Ihrem Portfolio vornehmen (z.B.
weniger Aktien zugunsten von Obligationen) oder aber Ihr Portfolio
über Derivate absichern. Ganz ein- oder auszusteigen lohnt sich
meistens nicht, da Sie mit praktischer Sicherheit den optimalen
Kauf- oder Verkaufszeitpunkt nicht treffen werden.
Ein Beispiel: Aufgrund Ihrer Strategie und Risikokonstellation
kommen Sie zum Schluss, dass eine Aufteilung in 70% Aktien und 30%
Obligationen sinnvoll ist. Steigt nun der Aktienmarkt (und somit
der relative Wertanteil in Ihrem Portfolio), so können Sie
sukzessive Aktien verkaufen; somit realisieren Sie einerseits
teilweise Gewinne auf Ihren Aktien, andererseits halten Sie Ihre
Risikokonstellation auf dem gewünschten Niveau. Umgekehrt kaufen
Sie bei fallenden Aktien sukzessive dazu. Sie bleiben also
konstant im Markt investiert, auf Ihrem gewünschten Risikoniveau,
und laufen nicht Gefahr einen Aufschwung zu verpassen, resp.
realisieren und sichern automatisch teilweise aufgelaufene
Gewinne. Eine solche Anpassung kann monatlich oder vierteljährlich
geschehen. Überprüfen Sie dabei jeweils auch, ob Sie Ihr
generelles Risikoniveau anpassen wollen.