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Finanz- und Anlageanalyse

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Anlageinstrumente




Strukturierte Produkte: Segen oder Fluch?



Strukturierte Produkte sind eine relativ junge Anlageklasse mit Auszahlungs-/ Renditeprofilen, die dem Privatanleger früher nicht oder nur schwer zugänglich waren. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um Schuldverschreibungen eines Emittenten (im Normalfall eine Bank). Der Inhaber eines strukturierten Produktes ist also Gläubiger der Bank. Dieses Faktum bekamen all jene Käufer von strukturierten Produkten zu spüren, die von der amerikanischen Investment-Bank Lehman Brothers emittiert wurden. Als diese im Herbst 2008 Insolvenz anmeldete, erlitten die Anleger grosse Verluste, da Lehman die Schuldverschreibungen nicht mehr bediente.

Nebst sogenannten Tracker-Zertifikaten, die eine bestimme Grundanlage (Aktienkorb, Rohstoffkorb etc.) nachbilden, sind v.a. die sogenannten Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukte bei Anlegern beliebt. Mit ihnen lässt sich auch in seitwärts tendierenden oder leicht fallenden Märkten Geld verdienen oder das Geld zumindest erhalten (je nach Ausstattung teilweise oder ganz).
Diese Produkte zeichnen sich meist durch  - oberflächlich gesehen - vorteilhafte Konditionen aus. So werden zum Beispiel Renditeoptimierungsprodukte oft im Kleid festverzinslicher Anleihen ausgegeben, die mit hohem Zinscoupons ausgestattet sind - sogenannte (Barrier) Reverse Convertibles. Die Rückzahlung ist jedoch abhängig von der Entwicklung einer oder mehrerer zugrunde liegender Aktien.

Das Universum der strukturierten Produkte ist äusserst vielfältig und für den Privatinvestor verwirrend. Nebst immer neueren und abenteuerlicheren Konstruktionen glänzt die Branche auch mit durchwegs fantasievollen aber oft nichtssagenden Bezeichnungen.
Allen Produkten gemeinsam ist aber, dass es sich wie gesagt um Schuldverschreibungen gegenüber einem Emittenten handelt (sogenannte Zertifikate), denen wiederum eine Konstruktion aus Derivaten und festverzinslichen Komponenten zugrunde liegt. Wir empfehlen dem Privatinvestor dringend, sich über diese Konstruktionen Klarheit zu verschaffen. Eine gute Hilfe dabei bietet der Swiss Derivative Guide 2011 (herausgegeben von der Handelszeitung, in Zusammenarbeit mit der Bank Wegelin).


Vorteile strukturierter Produkte

Die grundsätzliche Idee, auch Privatinvestoren alternative Renditeprofile durch einfach zu erwerbende Produkte zugänglich zu machen, ist grundsätzlich gut.
Einige Produkte können durchaus sinnvolle Beimischungen zu Portefeuilles darstellen, jedoch nur, wenn auch die untenstehenden Nachteile berücksichtigt worden sind.


Nachteile strukturierter Produkte

Oft ist dem Investor das Risiko-Rendite-Profil unklar - auch aufgrund der (zu) vorteilhaften Darstellung der Chancen in den Verkaufsprospekten.

Hierzu ein Beispiel:
Bei Kapitalschutzprodukten wird dem Investor vorgegaukelt, er könne bei negativer Entwicklung der Märkte kein Kapital verlieren. Das ist natürlich falsch.
Erstens unterliegt der Investor wie wir bereits gesehen haben, dem Emittenten-Risiko. Geht dieser pleite, ist auch das Geld des Investors zumindest teilweise weg.
Zweitens: Es gibt keine über dem „risikolosen“ Zinssatz liegende Rendite ohne Risiko. Sonst wäre dies ja die risikolose Rendite...
Bei einem Kapitalschutzprodukt finanziert man den Schutz des Grundkapitals durch den Verzicht auf die Verzinsung der zugrundeliegenden festverzinslichen Anlage. Mit diesem Ertrag wird nämlich nichts anderes gemacht, als eine Call-Option auf z.B. einen Index zu kaufen. Diesen Zinsertrag nicht zu erhalten, ist auch ein Verlust!

Auch die höheren Coupons von (Barrier) Reverse Convertibles werden durch das Eingehen höherer Risiken erkauft. Auch wenn die Coupons optisch sehr hoch und die Barrieren sehr weit weg zu sein scheinen, denken Sie daran, die Emittenten können die Marktgegebenheiten nicht umgehen. Ein hoher Coupon oder tiefe Barrieren sind nur möglich, weil eben der oder die zugrunde liegenden Titel hohe Schwankungen und ein dementsprechendes Risiko aufweisen (siehe hierzu auch unter Anlage/Grundsätze der Kapitalanlage).

Ein weiterer gewichtiger Nachteil ist die absolut intransparente Gebührenstruktur. Während bei Fonds die Gebühren zumindest bei entsprechender Nachforschung eruierbar sind (Ausgabe-/Rücknahmekommission, jährliche Verwaltungskosten etc.), ist dies bei strukturierten Produkten nicht der Fall. Nebst Verwaltungskosten, die nicht ausgewiesen werden, kommen noch weitere unvorteilhafte Konditionen hinzu, die aufgrund der zugrunde liegenden Derivatekonstruktionen nicht einfach zu identifizieren sind. Bei unseren Tests auf Single Barrier Reverse Convertibles ergab sich z.B., dass die angebotenen Coupons um bis zu vier Prozent-Punkte zu tief lagen, d.h. anstatt eines Coupons von 11% hätte einer von 15% angeboten werden müssen, um den Investor für das eingegangene Risiko zu entschädigen. Mit solchen Strukturen werden Sie auf die lange Frist eine klar geringere Rendite als der Markt erzielen. Es empfiehlt sich daher die Direktanlage oder Kauf eines Fonds.

Speziell zu erwähnen sind noch die Multi (Barrier) Reverse Convertibles, bei welchen die Rückzahlung von der Performance mehrerer Titel (meist drei) abhängig ist. Diese locken meist mit scheinbar hohen Coupons. Für den Anleger ist das zugrunde liegende Risiko aber kaum bewertbar. Oft wird auch die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Barriere-Ereignisses massiv unterschätzt. Da es sich bei diesen Produkten um sogenannte "Worst of"-Konstruktionen handelt, das heisst, die Rendite ist abhängig von der Performance des schlechtesten Titels, ist die Gesamtwahrscheinlichkeit eine Addition der Einzelwahrscheinlichkeiten! Von der Logik her widerspricht dies fundamental dem Diversifikationsansatz wie wir ihn in den Grundsätzen der Kapitalanlage dargestellt haben.


Lassen Sie uns hierzu ein Beispiel aufzeigen.

Nehmen wir einen fiktiven Multi-Barrier-Reverse Convertible auf z.B. Nestle, UBS und ABB. Laufzeit wäre ein Jahr, Coupon 12%, die Barriere läge bei 60% des jeweiligen Kurses bei Lancierung des Produktes. Nehmen wir an, in einem Jahr weist die UBS einen Verlust von 50% auf, Nestle einen Kursgewinn von 15% und ABB einen Kursgewinn von 35% aus. Ihr strukturiertes Produkt würde Ihnen den Coupon von 12% auszahlen, die Rückzahlung würde aber nur zu 50% Ihres nominalen Investments erfolgen (wegen der negativen Performance der UBS, die Performance der anderen fällt nicht ins Gewicht). Sie würden also insgesamt einen Verlust von 38% erleiden. Hätten Sie die Aktien direkt gekauft, hätten Sie keinen Kursverlust erlitten (-50%+15%+35%) und zusätzlich die Dividenden verdient!

Für einen (Privat-)Anleger ist es fast unmöglich, die zugrunde liegende Derivatekonstruktion und deren Wahrscheinlichkeiten richtig zu berechnen. Diese Produkte laden Banken geradezu ein, mit den Konditionen und Gebühren "zu spielen"!

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Grundidee strukturierter Produkte, alternative Renditeprofile anzubieten, durchaus sinnvoll ist. Die einzelnen Produkte sind aber unter den oben genannten Aspekten sehr kritisch zu hinterfragen, bevor ein Investment vorgenommen wird. Für den in Derivate-Fragen nicht kompetenten Investor ist das natürlich sehr schwierig und er ist im Einzelfall auf einen wirklich kompetenten und vor allem top-seriösen Berater angewiesen. Andernfalls ist die Direktanlage in eine Aktie oder in einen günstigen Fonds (ETF) vorzuziehen. Wie überall gilt: "There`s no free lunch!" Oder anders gesagt: das Risiko-Rendite-Prinzip gilt überall auf dem Kapitalmarkt!



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